Geschmacksexplosion dunkle Schokolade: täusche deine Geschmackssinne

Nachdem ich im letzten Artikel über dunkle Schokolade und die positiven Auswirkungen auf unseren Körper eingegangen bin, haben mich viele Stimmen erreicht und wollten es unbedingt ausprobieren. Die meisten waren enthusiastisch und motiviert dabei und haben das erste Mal in ihrem Leben zur dunklen Schokolade gegriffen. So schnell wie die Motivation nach lesen des Artikels aufkam, genauso schnell kam auch die Entgeisterung. „Die dunkle Schokolade schmeckt nicht“, „wie kriegst du das runter Dennis“, „diese Art Schokolade ist völlig unberechtigt in der Süßigkeitenabteilung, nichts daran ist süß“ waren Kommentare, die mich erreicht haben.

Ich kann verstehen, dass ihr dunkle Schokolade nicht so gerne in dem Maße verschlingt, wie helle. Ihr seid es gewohnt, eine hohe Menge Zucker am Tag zu essen. Dementsprechend ist auch euer Geschmackssinn darauf gepolt. Habt ihr mal darüber nachgedacht, wie sehr der Konsum von Schokolade, und damit der Kakaobohne, mit Zucker assoziiert ist? Wenn ihr euch mit jemanden darüber unterhaltet abzunehmen, werden mit ziemlicher Sicherheit beide Parteien schnell Süßigkeiten im Kopf habe. „Weniger Schokolade essen“ heißt es dann. Süßigkeiten und Schokolade sind so eng miteinander verknüpft wie zwei Seiten eines Buches.

Schokolade ist jedoch nicht deswegen bis zum Anschlag voll mit Zucker, weil die Kakaobohne schon von Natur aus so aufgebaut ist. Nein, das komplette Gegenteil ist der Fall. Die Kakaobohne ist komplett frei von Zucker. Selbst die 22 g Kohlenhydrate, welche die Kakaobohne beinhaltet, besteht nur aus komplexen langkettigen Kohlenhydraten, Ballaststoffen und Stärke. Ich bin mir sicher, viele dachten, dass bei Schokolade mit hohem Kakaoanteil der Zucker extra entfernt wird. Die Kakaobohnen werden während den Verarbeitungsschritten zermalmt, mit Maschinen, die sich über ganze Stockwerke ziehen, und dass daraus entstandene Kakaopulver wird im Verlaufe der Herstellung mit anderen Stoffen, unter anderem dem Zucker, zusammengemischt und in einer Form gegossen. Der Zucker wird also immer separat hinzugefügt. Bei 99 % Kakaoanteil wird gar kein Zucker beigemischt, dort sind lediglich ein paar kleine Bestandteile drin.

Schokolade hat lediglich deswegen so viel Zucker, weil wir ihn so sehr lieben. Selbst wenn wir uns danach schlecht fühlen und Gewissensbisse haben, wir lieben den Geschmack. Der Mensch ist darauf programmiert, Zucker zu mögen. Zucker in Früchten ist für unsere Vorfahren vor zigtausend Jahren, ein Signal für die Überlebenssicherung gewesen ist. Zucker war damals eine begrenzt vorhandene Energiequelle. Wir haben den Zucker damals benötigt, sowohl um unsere körperlichen Grundfunktionen, wie das des Gehirns, abzusichern (was sich natürlich bis heute nicht geändert hat) und damit unser Stoffwechsel für Mangelzeiten mittels Insulin Fett in den Körper einspeichern kann (aufgrund massiver Verfügbarkeit von Essen, weniger wichtig geworden).

Eine Sache steht fest: Unabhängig von den Lebensbedingungen unserer Vorfahren, wir benötigen nicht viel Zucker. Wenn wir durch den Alltag gehen, laufen wir nie Gefahr, uns Zuckermangel einzuholen. Zucker ist im reichlichen Überschuss vorhanden. Leider ist unserem Belohnungssystem komplett entgangen, dass sich die Nahrungssituation in den letzten 10000 Jahren komplett geändert hat. Dementsprechend gibt es kein instinktives Stoppgefühl, was die Zuckeraufnahme angeht – nur unserer höheren Gehirnregionen können dagegenwirken.

Durch unseren Geschmackssinn und die dahinterliegenden Strukturen, wird uns signalisiert, welches Lebensmittel gut für uns ist. „Essen wir weiter, sagt uns das Geschmackssystem“. Die Grundgeschmacksrichtung süß, sauer, salzig, bitter und herzhaft lösen unterschiedliche Reaktionen unterschiedlicher Stärken in uns aus. Die Geschmacksrichtung süß kann uns sehr schnell in den Bann ziehen und uns abhängig machen. Essen wir zu viel Zucker, passiert eine Sache mit unserem Geschmackssinn: Er gehorcht nur noch dem Zucker. Wie die Aufmerksamkeit eines Hundes zum Großteil bei seinem Herrchen ist und er das macht, was er ihm befehlt, so ist die Aufmerksamkeit unseres Geschmackssinnes nur noch bei dem Zucker. Wir fangen an, nur Dinge geschmacklich ansprechend zu finden, in denen sich Zucker befindet. Unser ganzer Fokus ist auf den Zucker gerichtet. Alle anderen geschmacklichen Erkundungen verlieren ihren Sinn. Zucker ist von allen Geschmäckern am einfachsten gestrickt. Zucker hat immer seinen typischen Zuckergeschmack. Da geht der Sinn für das Fein schmecken verloren. Frag mal einen wirklich kompetenten Feinschmecker, was er am Tag für Zuckermengen konsumiert. Definitiv weniger als der Durchschnittsbürger.

Jetzt kommen wir wieder zu dem Thema dunkle Schokolade. Solange du im Zuckerrausch drin bist, wird sich dein Geschmacksempfinden für nicht zuckrige Lebensmittel fade und trocken anfühlen. Erst wenn du eine Weile davon los bist, wird sich dein Geschmacksempfinden auf weniger ansprechende Lebensmittel fokussieren können. Mit der regelmäßigen weglassen an Zucker, wird sich neben dem Effekt, dass sich z. B. Gemüse geschmeidiger anfühlen wird zu essen, auch Geschmack für Dunkle Schokolade einpendeln. Isst du die dunkle Schokolade mit eingewöhnten Feinschmeckergeschmackssinn, wirst du den Geschmack auf eine ganz andere Weise wahrnehmen. Es ist der Genuss von Schokolade, den du wahrnehmen wirst, der RICHTIGEN Schokolade, ohne den verzerrten Geschmack von Zucker. Wenn du dunkle Schokolade genießen kannst, ist es ein Zeichen dafür, dass du deine Feinkost auf ein neues Level gebracht hast.

Du siehst also, deine von Zucker geprägten Geschmacksnerven sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass Edelbitterschokolade für dich ungenießbar ist. Natürlich kann es auch sein, dass du von Natur aus einfach keine dunkle Schokolade magst und du einfach kein Typ dafür bist. Ist theoretisch auch möglich. Diese Frage kannst du allerdings erst dann beantworten, wenn deine Geschmacksnerven feiner getrimmt sind und wenn diese nicht mehr nur dem Zucker gehorchen. Vorher wirst du dir nur selber einreden, dass es nichts für dich ist.

Kommen wir zum praktischen Teil der Umsetzung. Wie kommst du zu dem Punkt, an dem manche Lebensmittel für dich ungenießbar sind, zu dem, an dem du auch Lebensmittel genießen kannst, die feiner abgestimmte Geschmacksnerven benötigen?

Chi va piano, va sano e va lontano – Wer langsam geht, kommt auch ans Ziel

Wenn du jemanden suchst, der sich innerhalb von 2 Tagen von einem Süßigkeiten-Junkie zu einem Fitfood-Fanatiker entwickelt hat, wirst du in diesem Jahrzehnt noch verzweifelt auf der Suche sein. Jede Veränderung, die wir an uns vollziehen, benötigt Anpassungszeit. Wenn wir unserem Körper mit etwas Neuem konfrontieren (z. B. Ausdauertraining oder Zuckerfreie Lebensmittel) müssen sich unsere Strukturen im Körper erstmal darauf anpassen, damit wir tiefgreifende Erfahrungen mit dem neuen Thema machen können und uns dabei auch gut fühlen können. Denn erst, wenn wir uns gut dabei fühlen, bleiben wir langfristig motiviert.

Um dich in Sachen Geschmacksempfinden weiterzuentwickeln, und dabei nicht die Lust daran zu verlieren, weil alles fade schmeckt, ist es wichtig, in kleinen Schritten voranzukommen. Schmeiße nicht direkt den großen Vorrat deiner Lieblingssüßigkeit in den Müll. Ersetze einzelne ungesunde Mahlzeiten durch gesündere. Wenn du 4-mal die Woche beim Netflixen eine Packung Chips isst, ersetze einer dieser Mahlzeiten am Abend durch eine Portion Bananenchips. Wenn du noch kleinere Schritte der Umgewöhnung willst, kannst du stattdessen auch erstmal zuckerfreie Chips essen. Oder wenn du 3 Mal die Woche Schokolade mit 30 % Kakaoanteil isst, ersetze erstmal eine Portion davon durch eine 50 %. Nach 2 Wochen isst du dann 2x 50 %. Nach zwei weiteren Wochen dann einmal die 70 %.

Oder du ersetzt nicht einzelne, ganze Mahlzeiten, sondern ersetzt nur einzelne Portionen. Sprich, du isst erstmal 4 Stücken deiner gewohnten 30 % Schokolade und am Ende isst du 1 Stück 70 %… Irgendwann dann 2 Stücken 70 % und irgendwann dann eine Portion 85 %. Ich habe mir auf diese Weise z. B. Avocado angewöhnt. Früher mochte ich diese Frucht überhaupt nicht.

Ich konnte sie wirklich nicht als Beilage essen, ohne dass für mich der Geschmack der gesamten Mahlzeit ruiniert war. Also habe ich bei einer Portion Spaghetti mit Pesto angefangen, Avocado beizumischen. Zu Beginn habe ich von 3 Portionen, die ich mir jedes Mal geholt habe, in einer, Avocado beigemischt. Wo ich anfangs nur 3 kleine Stücken hinzugelegt habe, habe ich nach einem Monat ungefähr die 5-Fache Menge auf dem Teller gehabt. Und die geschmackliche Qualität der Mahlzeit hat sich nach der Eingewöhnungszeit genau gleich angefühlt wie meine ursprüngliche Avocado freie Portion.

Es gibt immer den Weg einer radikalen Veränderung und den einer länger andauernden. Ich habe mein Essempfinden längerfristig verändert. Als wie anstrengend habe ich es empfunden? Ich würde sagen, es ist vergleichbar mit einem Spaziergang, wo ich zwischendurch ein paar ganz kurze Jogg Einheiten einschmeiße. Ist aber nur meine Interpretation. Bevor ihr jetzt demotiviert seid, weil ihr Joggen hasst, testet es selber aus.

Um nochmal auf die dunkle Schokolade zurückzukommen: Das Geschmacksempfinden der dunklen Schokolade hängt stark davon ob, wie euer Essverhalten abseits dieses einen Snacks ist. Esst ihr seit Jahren für euer Leben gerne zuckerhaltige Lebensmittel und Schokolade? In dem Falle, sind die Chancen hoch, dass Zartbitterschokolade ein Geschmacksorgasmus bei euch stark verfehlen wird. Nicht aber, weil ihr nicht „der Typ“ für die Art Lebensmittel seid, sondern weil ihr euer gesamtes Geschmackssystem umpolen müsst. Es werdet im Geschmackserleben viel tiefer in die Geschmacksnuancen eintauchen. Und plötzlich habt ihr an diesen neuen erlebten Geschmacksnuancen Freude und fragt euch, was ihr an dem Zucker immer so gemocht habt.

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Nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate – oder nach 18 Uhr gar nichts mehr Essen

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Dunkle Schokolade, ein Fest für die Gesundheit